20.04 - und es folgt Bürgerfunk über Radio Berg, 2. Schicht.
Hoffentlich waren Sie um kurz nach sechs nicht zu sehr enttäuscht, das
Radiotreff GL-
mittwochsspätnachmittags-Jingle mit der gewohnten Ansage nicht zu
hören! Entschuldigen Sie die dumme Frage - Sie als treuer
Lokalfunkhörer haben bestimmt schon seit zwei Wochen Ihren Zeitplan auf
die neuen Sendestunden umgestellt.
Unser Team kann die veränderte Sendezeit inzwischen sehr gut leiden - es
gab nämlich Leute, die uns dafür gelobt haben, weil sie nämlich
erst nach den aktuellen Bildern aus aller Welt die Ruhe finden, ihren Ohren
auch mal was Gutes zu gönnen nach all den negativen Bildern und
Tönen.
Jingle
-Musik-
Die Bundestagswahl ist nur noch Erinnerung - das Land hat seine
Charakterköpfe - mal sehen, ob sich in den nächsten vier Jahren die
Köpfe ändern oder der Charakter - da gibt es ja manchmal
Überraschungen.
Charakterköpfe ganz anderer Art wollen wir Ihnen heute vorstellen - sie
haben auf vieles in unserem schönen bergischen Land - und darüber
hinaus - einen großen, positiven Einfluß gehabt, und das im
Zusammenhang mit einer Organisation, deren Emblem -schätze ich mal - noch
einigermaßen bekannt ist. Aber - könnten Sie z.B. auf Anhieb
jemandem erklären, was der CVJM ist und was er macht?
150 Jahre - und kein bißchen müde - so könnte es der CVJM
Westbund mit Sitz in Wuppertal auf seine Fahnen schreiben.
Und daß das so ist, liegt an seinem einzigartigen Auftraggeber, aber auch
an den hervorragenden Botschaftern, die im Laufe der Zeit Richtung und
Gedankengut geprägt haben.
Archimedes soll einmal gesagt haben: Gebt mir einen festen Punkt
außerhalb der Welt - und ich hebe die Erde aus den Angeln! Diesen festen,
physikalischen Punkt hat bis jetzt noch niemand gefunden, also hängt die
Erde immer noch in ihrer alten Position. Sören Kierkegard
überträgt diese Hebelfunktion, mit der scheinbar Unverrückbares
ausgehebelt werden kann,auf eine andere Ebene, er bezieht sie auf das
Gespräch zwischen Gott und Mensch. Gespräch als Ausdruck einer
persönlichen Beziehung - und das nicht mit irgendeinem Phänomen,
sondern ausschließlich mit dem Gott der Bibel.
Ob diese Gespräche ganze Welten aus ausgeleierte Bahnen herausreißen
? Radiotreff GL hat Fragen und stellt sie vier Männern aus vier Epochen
deutscher Geschichte.
--Musik--
RT GL auf der Reise zurück ins vorige Jahrhundert. Im Jahr 1845 treffen
wir einen jungen Mann von 26 Jahren. Er geht durch ein Großraumbüro,
wo 140 sog. Handlungsgehilfen an ihren Schreibpulten die Büroarbeiten
der Firma Hitchcock & Rogers erledigen. Der junge Mann ist Abteilungsleiter
und Schwiegersohn des Inhabers. Die Angestellten grüßen
Georg Williams freundlich, man könnte sagen: herzlich. Das Betriebsklima
wirkt entspannt, angenehm - eine Rarität im London des industriellen
Umbruchs.
Herr Williams, wir haben gehört, daß es in diesem Betrieb noch vor
einigen Jahren große Probleme mit dem Personal gab wegen Alkoholdelikten,
moralischem Tiefstand bei den jungen Männern und bewußter
Boykottierung ihrer Hilfsmaßnahmen für gefährdete Jugendliche.
Was wir hier sehen, läßt davon nichts mehr ahnen - wie war das
möglich?
Wir haben eines Abends alle zusammengelegt, d.h. meine Freunde, die ich da-
mals als kleiner Angestellter unter den Kollegen hatte und ich - und wir
haben
den Hauptgegner unserer Gebetsversammlungen zu einem Essen
eingeladen. Als er hörte, ihm zuliebe gäbe es Austern, da
kam er tatsächlich!
Einige Zeit später schloß er sich uns an. Er staunte darüber
und freute sich, wieviel
interessanter und weitreichender sein Leben wurde, als er
persönliche
Beziehungen zum höchsten Welten-Chef bekam anstatt zu dubiosen Machern
seiner Szene.
Austern als Überzeugungsmaterial - sollte man sich merken. Und was wurde
auf ihren Treffen besprochen?
Besprochen - das hört sich sehr theoretisch an. Es brauchte nur einer der
jungen
Männer anfangen zu erzählen - von zuhause, von seinen zerbrochenen
Lieb-
schaften, von seiner heimlichen Krankheit - da kam ein Wust von Nöten
zutage,
der mit menschlicher Hilfe allein niemals zu beherrschen gewesen wäre.
Zuerst war es nur einer unter meinen 140 Kollegen, der meine Sorgen um die
anderen mittrug. Auch er hatte als Kind schon verstanden, was der Umgang
mit
dem auferstandenen Jesus Christus bedeutet und was sich alles zum Guten
wenden kann für den, der betet.
Aber es dauerte nicht lange, da waren sämtliche Schlafzimmer in unserem
Haus
zu klein, um allen neu dazugekommenen jungen Männern Platz zu bieten.
Zuerst waren es die Angestellten der Firma und 1844, nach Gründung
eines
YMCA-Vereins, Noch viele andere junge Londoner.
Sie konnten aber sicher nicht jedem der Jungs ein Austernessen spendieren.
Nein, das wirklich nicht. Und trotzdem hat sich wieder und wieder eine
Tatsache
gezeigt: Wenn du das Vertrauen eines jungen Mannes gewinnen willst, lade
ihn
zum gemeinsamen Essen ein. Dabei spricht sich vieles leichter als in einer
steri-
len Gemeindestunde.
Und mit all den Problemen, die an Sie und Ihre Mithelfer herangetragen wurden,
sind
Sie stets zurechtkommen und konnten neue Perspektiven und Zukunftshoffnung
vermitteln?
Meinen Sie mich persönlich? Dann müßte ich tausendmal "nein"
sagen. War ich
nicht deutlich genug? Nur wer innerlich still wird und sich darauf einrichtet,
von
der höchsten Instanz persönlich angesprochen zu werden, der kann
etwas weiter- geben an Menschen, die ihm am Herzen liegen. Und wenn es auch
tausendmal
abgegriffen ist, dieses kurze Wort "Gebet" - wir haben täglich erfahren,
daß unsere
Worte nicht an der Zimmerdecke hängen geblieben sind. Gott hört -
und antwortet.
Vielen Dank, Mister Williams.
Wir von RT GL bleiben noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
begeben uns jetzt aber wieder ins Bergischen Land, ins Haus der Bergischen
Bibelgesellschaft, Wuppertal-Elberfeld.
--Musik--
200 junge Männer aus Barmen, Cronenberg, Düsseldorf, Elberfeld,
Mülheim-Ruhr, Remscheid, Ronsdorf, Ruhrort und Schwelm gründen an am
20. August 1848 den Rheinisch-westf. Jünglingsbund.
Zum Präses wird gerade Pastor Gerhard Dürselen aus Ronsdorf
gewählt.
Da Herr Dürselen - wie sich denken läßt - im Moment sehr
beschäftigt ist, befragen wir seine Biografie nach seinem Werdegang und
seinen Erlebnissen.
Gerd. Dürselen wurde am 11.Aug. 1808 in Wevelinghofen im Rheinland
geboren. Er studierte Theologie in Bonn und Berlin und wurde schon 1833, also
mit 25 Jahren, zum Pfarrer der reformierten Gemeinde Ronsdorf berufen. Er nahm
seinen Beruf sehr ernst - nicht nur auf der Kanzel, auch im Alltag. In seinen
Aufzeichnungen findet sich die folgende Passage:
Am Sonntag auf der Kanzel und auch an allen Wochentagen sprach ich zu den
Leuten über ihr gottloses Treiben. Dadurch zog ich mir ihren Hass und
Zorn zu.
Als ich eines Tages durch die Stadt ging, richtete ein Mann aus einem
Fenster
seine Pistole auf mich! Die Frau faßte aber dessen Arm, und der
Schuß ging in
die Zimmerdecke. Einige Zeit später wiederum stand ich abends in meinem
Studier-
zimmer und sah mit betrübtem Herzen in die mondhelle Nacht. Da flog ein
Stein
durch die Fensterscheibe, dicht an meinem Kopf vorbei, durchschlug die
Tür und
landete im gegenüberstehenden Bücherschrank. Gott hatte sichtbar
seine Hand
schützend über mich gehalten.
Pfarrer Gerh. Dürselen war in Paris dabei, als 1855 in Verbindung mit der
Welt-
ausstellung, die Vertreter der CVJM-Vereine aus Europa und Amerika
zusammen-
kamen, um ihr Ziel und Zweck in einer Basis-Erklärung festzuschreiben.
Gerh. Dürselen hat 25 Jahre lang dem CVJM-Westbund als Präses
vorgestanden.
Der Predigttext zu seiner Beerdigung war der gleiche, der auch zu seiner
Ordination gewählt wurde.
So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott läßt durch
uns die Menschen
ermahnen. So bitten wir nun an Christi Statt: laßt euch versöhnen
mit Gott.
--Musik--
Steigen Sie wieder mit ein in den Zeitreisezug und machen den nächsten
Halt im Jahr 1932 - kurz vor Beginn des kürzesten 1000jährigen Reichs
der Geschichte.
Ein wirkliches Original unter den CVJM-Größen war Johannes Kuhlo,
der "Posaunen-
General" - obwohl er diese martialische Bezeichnung gar nicht gerne hörte,
sondern seine Briefe mit 'Bundesposaunenmeister' unterschreiben durfte.
Wer "Vater Kuhlo" sprechen möchte, braucht meist nur dem Klang seines
Flügelhorns nachzugehen. Da wir auf unserer Zeitreise im jahr 1932
gelandet sind, treffen wir den unermüdlichen Bläser als
76jährigen an, gerade erst zum Leiter neu entstandenen
Evangelischen Posaunenmission Deutschlands ernannt, ein Zusammenschluß
aller Werke und Verbände, die im Rahmen der evangelischen Kirche
Posaunenarbeit treiben.
Verehrter Herr Kuhlo, seit ihrem achten Lebensjahr spielen sie Posaune - wie
kam es, daß gerade dieses Instrument fast zu einem ihrer
Körperteile wurde?
Liebe Dame, hätten Sie meinen Vater gekannt, würden Sie nicht so
fragen!
Was sich in meiner Kinderzeit im Ravensberger Land tat,besonders unter den
jungen Männern - das können Sie sich vielleicht gar nicht
vorstellen. Es ging damals
wirklich wie ein Posaunenschall durch alle Familien, ob arm,ob reich, und
die
Kirchenräume waren
nicht groß genug, um die Menge der Burschen aufzunehmen, die endlich
ernst machen wollten mit einem Leben in der Spur des Gekreuzigten und
Auferstandenen. In den Jungmännervereinen, die bald entstanden,
gehörte die
Musik selbstverständlich von Anfang an mit dazu. Und mein Vater leitete
Chöre mit manchmal bis zu tausend Bläsern. Als ich acht Jahre alt
war, schenkte er mir eine
alte Zugposaune. Die war bei der Gründung des Gohfelder Chores als
unbrauchbar
übriggeblieben.
Das finde ich aber nicht gerade nett von ihrem Vater, Ihnen nur so ein kaputtes
Ding zu überlassen, wo er doch sicher problemlos an bessere Instrumente
gekommen wäre.
Sie kennen eben meinen Vater nicht, liebe Dame, und Sie verstehen nichts
von
Posaunen. Mit ein bißchen Geschick klang sie bald wieder durchs ganze
Haus.
Hach, wie war ich stolz! Besonders auf die vollen, lauten Töne - und da
bekam ich
von meinem Vater eine Lektion, die ich zeitlebens nie vergaß. Er
sagte: nicht das
laute Spiel, sondern das leise ist die eigentliche Kunst. Die entspricht der
biblischen
Regel der geistlichen, lieblichen und wohllautenden Musik."
Lieber Herr Kuhlo,darf ich dagegenhalten: leise sind Posaunen nun mal wirklich
nicht! Außerdem habe ich bei den Posaunenchören, die ich kenne, sehr
oft den Wunsch, ihnen ein Geldstück zu geben, wenn sie nur aufhören
würden, zu spielen! Und ich habe mir sagen lassen, daß auch bei uns
im Bergischen Chöre gab, die einfach nicht miteinander spielen konnten,
weil die einen die von Ihnen entwickelte B-Ton-Schreibweise spielte und die
anderen die sog. Militär-Schreibweise, die einen halben Ton höher
liegt.
Da haben Sie es wieder, meine Dame. Solche Schwierigkeiten gibt es meist
dann,
wenn die Töne der Instrumente für sich allein klingen wollen. Wenn
sie nicht mehr
nur der kostbare Teller, auf dem die lebenswichtige Speise des Evangeliums zum
Festessen wird.Wenn ich bemerke, daß bei den Chören, die ich leite,
das Proben
und Spielen zur Mühe wird, kommandiere ich sie umso mehr ab, in
Krankenhäusern
und Siechenheimen die Menschen beim Singen der ewig gültigen frohen
Botschaft
zu begleiten. Das hat noch jedem der Bläser den rechten Sinn für
seine Aufgabe
wieder begreiflich gemacht.
Da kann ich nur seufzen, ich sehe weit und breit keinen Hornbläser, der
solche Massen von Posaunenchören unter einen Hut bringen könnte wie
sie das tun.
Das liegt aber nicht an den Instrumenten, liebe Dame. Jetzt entschuldigen Sie
mich
bitte, wir müssen weiterproben. Wenn Sie wirklich was über mich
wissen möchten,
und warum mir gerade die weichen Töne der Posaune mehr bedeuten als
der
Kristallton der Trompete, dann schlagen Sie die Liederbücher auf, die wir
mit
unseren Tönen nachbuchstabiert haben".
Da geht er hin, sein Flügelhorn unter dem Arm. Er spielt es vor
Königen und Fürsten, vor Bettlern , vor Gesunden und vor den
ärmsten Kranken.
Und wenn er dem Instrument zarte und doch klare Töne entlockt, kann es
passieren, daß er Zeit und Raum vergißt. 15000 Gäste sind
einmal zu einem Bundesposaunenfest gekommen. Joh. Kuhlo hatte versprochen, nur
die vorgesehenen Lieder zu spielen. Sein verschmitztes Lächeln ließ
aber einiges befürchten. Er stand auf dem Podium - und schon wieder reckte
er die Hand mit dem Horn hoch. Noch ein Choral! Da griffen von hinten zwei
Hände seine Rockschöße und zogen ihn sanft von seinem Podest
herunter. Kuhlo lachte - und 15000 ergriffene Zuhörer lachten mit.
Johannes Kuhlo -unbestritten ein Original - geb. 1856 - gestorben 1941-fast 80
Jahre mit seinem Flügelhorn genauso innig verwachsen wie mit der
Botschaft, die er mit diesem Instrument weitergeben wollte - immer nur die
eine, die er auch selbst als Überschrift für seine Biografie
wählte: Ich will Gott, den Herrn, loben allezeit. Meine Seele soll sich
rühmen des Herrn, daß es die Elenden hören und sich freuen!
--Musik--
CVJM und Posaunenmusik - noch heute sind sie ein fester Begriff. Aber die Musik
dieser weittönenden Instrumente ist nicht das einzige Medium, das zur
Verbreitung der Botschaft taugt, der sich der CVJM einst und noch heute
verschrieben hat.
Persönlichkeiten wie z.B. Wilhelm Weigle, Paul Humburg, Gottlob Jourdan
und Johannes Busch waren Männer, die mit ihren Worten genau den Punkt
trafen. Und das in einer Zeit, in der die Autorität Gottes und seines
Anspruchs immer mehr zurückgedrängt wurden durch
Führungspersönlichkeiten menschlicher Natur.
Johannes Busch, geb. 1905 in Wuppertal, frühverwaister Pfarrerssohn, bekam
nach Schule und Studium seine erste Pfarrstelle in Witten.
Er weigerte sich, die evangelische Jugendarbeit in die Hitlerjugend
einzugliedern. Die Gestapo sprach ihm das Amt ab und verbot ihm sogar das
Betreten seiner Kirche unter Strafandrohung von 1000,-- Mark. Johannes Busch
predigte in einer Gaststätte weiter. Bald darauf wurde er zum Bundeswart
des Westdeutschen Jungmännerwerkes ernannt.
Das Leben der christlichen Jugendwerke in Deutschland wurde nach 1933 immer
mehr eingeengt. Sport und Spiel, Wanderungen und andere öffentliche
Veranstaltungen waren nicht mehr erlaubt. Johannes Busch nahm das als eine
Entwicklung hin, in der er das Positive sah, nämlich die Konzentration der
jungen Leute auf das Wichtigste: das Evangelium zu verbreiten und zu
verinnerlichen.
Seine zielklare Marschroute hielt die CVJM-Bundesgemeinschaft in dieser
schwierigen Zeit zusammen. 1940 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und kam erst
am 31.Juli.1945 nach Hause. Noch am gleichen Tag meldete er sich mit einem
Rundschreiben an die Vereine zurück. Sein Terminkalender hatte seitdem
keine freie Stelle - Freunde sagten ihm oft: Schon dich ein bißchen, du
verbrauchst all deine Kraft!" Aber noch kurz vor seinem Tod durch einen
Autounfall am 28.Januar.1956 sagte er in solchen Gesprächen: "Es ist mir
und dir nicht zugesagt worden, daß wir alt werden. Aber wir wissen,
daß wir in der wichtigsten Sache des höchsten Königs unterwegs
sind, und ich werde seine Botschaft weitersagen, so lange ein Atemzug in mir
ist."
-Musik-
Vier Männer - vier herausragende Persönlichkeiten in der Geschichte
des CVJM - Christlicher Verein junger Männer - oder wie es seit einigen
Jahren heißt: junger Menschen. Ob es in den letzten Jahrzehnten
gravierende Veränderungen gegeben hat und wie die Arbeit des CVJM -
speziell des Westbundes- heute läuft, Herr ....Schwitzer von der
Bundeshöhe in Wuppertal-Barmen hatte zwischen zwei Terminen etwas Zeit
für uns -
--Interview Schwitzer--